Lernen vor Ort - Runder Tisch war längst fällig

"Ein Runder Tisch vor Ort zum Thema Aus- und Weiterbildung war längst fällig", fasste Hans Etzler, Leiter der Berufsschule Kaufbeuren, die positive Stimmung der anwesenden Vertreterinnen und Vertreter aus der lokalen Wirtschaft in den Bereichen Handel, Industrie, Handwerk und Dienstleistungen, von IHK, Handwerkskammer, Arbeitsagentur, Jobcenter und Bildungseinrichtungen zusammen.

Aus- und Weiterbildung in Kaufbeuren

Einberufen hatte den Runden Tisch das Team von „Bildung-aktiv“ im Rahmen des Bundesprogramms Lernen vor Ort (LvO), das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert wird.

„Eine von uns durchgeführte Umfrage unter Kaufbeurer Familien zur Einschätzung der Situation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung vor Ort war der Anlass, einmal alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und zu versuchen, Verbesserungsmöglichkeiten auf die Spur zu kommen,“ so Sonja Seger, die als LvO-Projektleiterin die Thematische Analyse „Bildung als Standortfaktor“ für Kaufbeuren erstellt und hierfür u.a. die Ergebnisse einer Elternbefragung unter die Lupe genommen hatte.

Diskrepanz vor Ort

Daniela Hiemer, die als LvO-Bildungskoordinatorin den runden Tisch moderierte, wollte von den Anwesenden wissen, ob es an den Angeboten läge, die möglicherweise nicht ausreichend bzw. nicht passgenau seien oder lediglich besser beworben werden müssten. „Wir haben einerseits verbesserungsfähige Zufriedenheitswerte, andererseits fallen angebotenen Kurse mangels Teilnehmerzahlen an der Volkshochschule Kaufbeuren aus“ beschrieb Bildungsberater Jürgen Wendlinger eine gewisse Diskrepanz vor Ort.

Ähnliche Erfahrungen habe auch der Bundesverband der Gablonzer Industrie e.V., ergänzte deren Geschäftsführer Thomas Nölle. Teilweise müssten Schulungen mangels Nachfrage abgesagt werden und er verwies auf die Probleme kleinerer Betriebe, ihre Mitarbeiter für Weiterbildungsmaßnahmen mehrere Tage frei zu stellen. „Hier sind kleine passgenaue Tagesseminare vorteilhaft“ so Nölle.

Umfassende Weiterbildung

Nicht länger andauernde, umfassende Weiterbildungen z.B. in der Textverarbeitung seien gefragt, sondern eintägige Veranstaltungen, die sich punktuell mit Problemen aus der Praxis auseinandersetzen, beispielsweise zum Thema Serienbrieferstellung. „Eine gewisse Mindestteilnehmerzahl bei Kursen ist erforderlich“, bestätigt Tatjana Tichy vom Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in Kaufbeuren, „dies ist neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten vor allem auch unter dem Gesichtspunkt gruppendynamischer Prozesse zu beachten.“

Größere Betriebe hingegen wie HAWE Hydraulik, Sensortechnik Wiedemann, Firmengruppe Dobler oder die Sparkasse Kaufbeuren bieten eigene berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten an, die vorwiegend vor Ort im eigenen Haus durchgeführt werden. „Wir bilden selbst aus und weiter“, so Daniel Blaubach, Ausbildungsleiter bei der Firma Dobler, „da wir keine qualifizierten Fachkräfte auf dem freien Arbeitsmarkt finden“.

Deshalb bilde die Firma Dobler seit Jahrzehnten ihre Auszubildenden selbst aus und schule diese u.a. in der eigenen Lehrlingswerkstatt. „Unsere Azubis wollen sich zeitnah weiterbilden und viele gehen zur Technikerschule“, berichtete Thomas Tischer, Ausbilder bei der Firma HAWE. Kreishandwerksmeister Robert Klauer ergänzte, dass mit dem erworbenen Fachwissen eines Mitarbeiters in der Regel auch dessen Bereitschaft steige, sich laufend weiterzubilden, während Geringqualifizierte leider oftmals wenig Interesse zeigten, vorhandene Potenziale zu nutzen und auszubauen.

Persönliche Voraussetzungen

Diese Problematik wurde von den Bildungs- und Leistungsträgern wie IHK, Jobcenter und Arbeitsagentur bestätigt, wobei auch das Fehlen persönlicher Voraussetzungen oder eines Ausbildungsabschlusses als Hemmschuh genannt wurden. Oliver Wackenhut von der Arbeitsagentur merkte an, dass seine Behörde allgäuweit drei Berater im Einsatz habe, um gerade Geringqualifizierte in Betrieben weiterzubilden. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass das Aus- und Weiterbildungsangebot in Kaufbeuren für die Interessierten noch besser überschaubar und nutzerfreundlicher werden soll.

Hier gelte es, Transparenz zu schaffen, was sich wiederum positiv auf die Nutzung auswirken könnte. Einigkeit bestand auch bei der Einschätzung, dass der Standort Kaufbeuren im Bereich der Beruflichen Aus- und Weiterbildung noch mehr Potenzial aufbauen kann. Hans Etzler äußerte in diesem Zusammenhang den „Zukunftswunsch, in Kaufbeuren eine Meister- und Technikerschule zu haben“, was auch aus Sicht der städtischen Wirtschaftsförderung ein interessanter Ansatz ist. Die Mitglieder des Runden Tisches Berufliche Aus- und Weiterbildung waren sich einig, sich künftig etwa im halbjährlichen Rhythmus wieder zu treffen.